Rennen ums Weisse Haus: Ein Kennedy sagt der Elite den Kampf an (2024)

Sein Onkel und sein Vater wurden ermordet. Nun mischt Robert Kennedy junior als unabhängiger Kandidat die Präsidentschaftswahl auf. In Umfragen erreicht er über 20 Prozent. Trotz seinen demokratischen Wurzeln könnte der kontroverse Impfgegner vor allem Trump schaden.

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Gemäss der Tradition seiner berühmten Familie stieg Robert Kennedy im April als Demokrat ins Rennen um das Weisse Haus. Obwohl er vor drei Jahren für Biden gestimmt hatte, wollte er den amtierenden Präsidenten in den demokratischen Vorwahlen herausfordern. Auch in der Verwandtschaft war die Sorge gross, dass Kennedy mit seinem zugkräftigen Namen die eigene Partei und ihren unpopulären Präsidenten schwächen könnte, indem er Protestwähler mobilisiert. Man habe in «robusten» Familiengesprächen versucht, Robert die Sache auszureden, sagte sein jüngerer Bruder Chris gegenüber «Politico».

Die Republikaner hingegen sahen Kennedys Kandidatur als Chance. Der 69-jährige Umweltjurist wurde zu einem gefragten Interviewpartner auf dem konservativen Fernsehsender Fox News. Dabei stellte sich indes heraus, dass Kennedy mit seinen Positionen in vielen Punkten den republikanischen Wählern mehr aus den Herzen spricht als den Demokraten. Bereits vor der Covid-Pandemie war der Präsidentschaftskandidat ein entschiedener Impfgegner, der ein tiefes Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie hegt. Unter anderem suggerierte er einen Zusammenhang zwischen frühen Impfungen und Autismus.

Beliebt bei jungen Wählern

Kennedy erachtet die Lockdowns während der Pandemie als Fehler. Sie hätten der Mittelklasse und den Armen viele Billionen Dollar geraubt und zu den Reichen transferiert, sagte er im Juli dem «New Yorker». Wie Trump wirft Kennedy zudem Biden vor, Migranten an der Südgrenze zu Mexiko unkontrolliert ins Land zu lassen. Er verspricht den Wählern, die Grenze dichtzumachen. Auch in der Ukraine-Frage liegt Kennedy näher bei Trump. Washington gehe es in dem Konflikt nicht darum, die Ukraine zu beschützen, sondern das Putin-Regime in Moskau zu stürzen. Er werde deshalb als Präsident den Krieg beenden und einen Frieden aushandeln.

Einen Mittelweg sucht Kennedy bei den Rechten auf Waffenbesitz und Abtreibung. Er fordert kein Verbot von Sturmgewehren, würde ein solches vom Kongress verabschiedetes Gesetz aber unterzeichnen. Im August sprach er sich für ein Abtreibungsverbot nach der 15. Schwangerschaftswoche aus, krebste dann allerdings wieder zurück. «Es sollte immer die Wahl der Frau sein.»

Zur Erleichterung seiner Familie erklärte Kennedy im Oktober jedoch, nicht mehr als demokratischer, sondern als unabhängiger Kandidat ins Rennen um das Weisse Haus ziehen zu wollen. Wenig überraschend wuchs darauf die republikanische Kritik an ihm. «Die Wähler sollten von niemandem getäuscht werden, der vorgibt, konservative Werte zu verkörpern», sagte Trumps Pressesprecher. Es handle sich bloss um die Kampagne eines «linken Kennedy», der mit seinem Familiennamen viel Geld verdienen möchte.

Aktuelle Umfragen zeigen jedoch, dass auch konservative Wähler den Kennedy-Neffen ernst nehmen. In einer Erhebung der Quinnipiac University zu Beginn dieses Monats hatte Biden gegenüber Trump im Direktduell die Nase mit 47 zu 46 Prozent knapp vorne. In einem Dreierfeld mit Kennedy wuchs Bidens Vorsprung gegenüber Trump jedoch auf 3 Prozentpunkte. Insgesamt 39 Prozent unterstützten Biden, 36 Prozent Trump und beachtliche 22 Prozent Kennedy. Bei Wählern unter 34 Jahren und Wechselwählern würde der unabhängige Kandidat mit 38 Prozent gar die meisten Stimmen erhalten.

Tiefes Misstrauen in die Machtstrukturen

Obwohl er aus einer vermögenden Familie stammt, sieht sich Kennedy in einem Kampf gegen eine «selbstgefällige Elite, die das System zu ihren Gunsten manipuliert hat». Die Amerikaner seien wütend darüber, betrogen, belogen und übergangen zu werden, sagte er bei der Ankündigung seiner unabhängigen Präsidentschaftskandidatur. Auch hier gibt es Parallelen zu Trump, der sich ebenfalls als Anwalt der Verlierer präsentiert.

Kennedys Misstrauen in die amerikanischen Machtstrukturen könnte indes auch tiefere Gründe haben. Sein populärer Onkel – Präsident John F.Kennedy – wurde 1963 in Dallas erschossen. Fünf Jahre später erlitt sein Vater – Senator Robert F.Kennedy – als Präsidentschaftskandidat das gleiche Schicksal. Um beide Attentate ranken sich bis heute Rätsel. Kennedy junior ist überzeugt, dass der amerikanische Geheimdienst CIA bei der Ermordung seines Onkels und vielleicht auch seines Vaters die Hände im Spiel hatte.

Trotz seiner privilegierten Herkunft musste Kennedy schwierige Zeiten durchmachen. Er flog von der Schule, wurde wegen des Besitzes von Marihuana verhaftet und war heroinsüchtig. Das hinderte ihn nicht daran, ein Studium an der Eliteuniversität Harvard abzuschliessen. Seine Frau beging 2012 Selbstmord. Mit 42 Jahren liess zudem eine seltene Krankheit seine Stimme brüchig werden. Aber darin sieht Kennedy kein Hindernis für eine politische Karriere. Das Überwinden solcher Widrigkeiten sind Geschichten, die Amerika liebt.

Der Weg für unabhängige Präsidentschaftskandidaten ist in den USA steinig. Neben Kennedy wollen auch der afroamerikanische Philosoph Cornel West und die grüne Aktivistin Jill Stein als Aussenseiter im Rennen um das Weisse Haus mitmischen. Noch nie seit Ross Perot vor 30 Jahren verzeichnete ein Drittkandidat jedoch solch hohe Umfragewerte wie Kennedy derzeit. Angesichts der breiten Unzufriedenheit mit Trump und Biden könnte er das berüchtigte Zünglein an der Waage spielen.

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Christian Weisflog, Washington

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